Die hinzunehmenden Einschränkungen der Obdachlosen enden bei einer nicht mehr menschenwürdigen Unterbringung. Die rote Linie sieht Angelika Hartmann von der Kempener SPD bei der städtischen Unterkunft für Wohnungslose an der Kleinbahnstraße 14a überschritten. „Die Grenze zumutbarer Einschränkungen sind dort nach § 14 Abs. 1 Obdachlosengesetz NRW nicht eingehalten.“ Die Sozialdemokratin kritisiert das aktuelle Handeln der Stadt Kempen, in die Wärmestube für Nichtsesshafte möglichst viele Menschen unterzubringen. „Die Einrichtung hat ursprünglich sieben Zimmer mit 13 Betten. Wenn ich gemäß
der Pläne von Ordnungsdezernent Geulmann hochrechne, ist man dort am Ende offensichtlich bei der doppelten Bettenzahl“, sagt die Sozialdemokratin, die sich vor Ort ein Bild gemacht hat von den unhaltbaren Zuständen im Haus Kleinbahnbahnstraße in Bahnhofsnähe. Die Stadt hat sich auf den Weg gemacht, die Bettenzahl dort drastisch hochzusetzen. Darüber berichtete Geulmann im Februar im städtischen Ordnungsausschuss. Für die gesamte Einrichtung will die Stadt Doppelstockbetten anschaffen, so dass künftig drei oder vier Betten in bisherigen Zwei-Bett-Zimmern aufgestellt werden können. Neben neuen Möbeln hat die Stadt im Keller bereits ein Klappbett für eine weitere Person platziert. Im Kellerraum, wo nun das Notbett steht, haben die Obdachlosen bislang ihre Wäsche getrocknet. Diese Möglichkeit fällt nun weg, und eine geplante Herrendusche ist noch nicht in Sicht. Der Gemeinschaftsraum wurde geteilt, jetzt ist dort ein Wohnzimmer und eine Küche – beide viel zu klein, als man dort gemeinsam sitzen könnte. „Wie soll dort künftig eine Weihnachtsfeier oder ähnliches stattfinden?“, fragt sich Angelika Hartmann. Und fügt hinzu: „Die Frauendusche im Keller ist ein schimmeliges Loch.“ Stein des Anstoßes für die SPD: In der Unterkunft für Nichtsesshafte an der Kleinbahnstraße soll nach Stadtplänen die doppelte Anzahl von be- troffenen Menschen beherbergt werden.
Im Brandschutz, im Infektionsschutz sowie in einer angemessenen Fachbetreuung sieht die Geschäftsführerin des Kempener SPD-Ortsvereins die Mindestrichtlinien nicht erfüllt. Weder die Größe der Gemeinschaftsräume noch die Anzahl der Sanitärbereiche reicht nach Dafürhalten von Angelika Hartmann aus. Von einem Einhalten der Standards, wie es beispielsweise der BAG Wohnungslosenhilfe e.V. im „Integrierten Notversorgungskonzept“ skizziert, könne keine Rede sein.
Nachvollziehbar ist für Angelika Hartmann, dass die Stadt jetzt aufgrund massiv gestiegener Anfragen von Menschen, denen eine Obdachlosigkeit droht, in hektische Betriebsamkeit verfällt. Die Menschen allerdings mangels Alternativen in der Wärmestube unter unwürdigen Verhältnissen und Bedrohung ihrer ohnehin angeschlagenen Gesundheit einzupferchen, hält die Kempenerin für äußerst bedenklich. „Wo ist das Konzept, das Kriterien wie Brandschutz, Infektionsschutz und Fachbetreuung in den Fokus rückt?“, so die SPD-Frau.
Fragen über Fragen: Was ist beispielsweise mit einem Mindestmaß an Privatsphäre? Geschlechtergetrennter Unterbringung von Alleinstehenden? Unterbringung von Familien in abgeschlossenen Einheiten? Sozialpädagogischer Begleitung von jungen Wohnungslosen? Angelika Hartmann: „Ist eine Betreuung durch eine pädagogische Fachkraft seitens der Stadt überhaupt in der Planung?“ Alternativen gäbe es aus Sicht der Sozialdemokratin, auch ohne dass die Stadt auf dem überhitzten Immobilienmarkt tätig werden oder teuer Hotelzimmer anmieten muss. „Hat die Stadt überhaupt Alternativen geprüft?“
Dass die Stadt jetzt überhaupt beim Thema Obdachlose in einen derartigen Engpass geschliddert ist, verwundert Angelika Hartmann nicht: „Hätte die Stadt frühzeitig mehr sozialen Wohnungsraum geschaffen, statt nur für Reiche zu bauen bzw. bauen zu lassen, gäbe es sicherlich Alternativen.“
Unterkunft für Wohnungslose
